Zeit für einen Wechsel in der Unternehmenskultur in der Zeitarbeit. Ein Plädoyer für Change Management in der VUKA Welt.
von Thorsten Rensing (Kommentare: 0)
Es sind Zahlen, die bekannt sind und die hellhörig machen müssen. Leider tun sie das vielfach noch nicht. Nur noch 15% aller Arbeitnehmer über 18 Jahren haben eine hohe Bindung zu ihrem Arbeitgeber. 15% verfügen über gar keine Bindung und 70% haben nur eine geringe Bindung zu ihrem Arbeitgeber. Im selben Engagement Index 2016 finden sich auch folgende Zahlen: 90 % der selben Arbeitnehmer empfinden ihren Arbeitsplatz als sicherer oder gleich sicher gegenüber 2015: nur 10% empfinden ihn als potentiell unsicherer. Diese Zahl hat sich seit 2013 fast nicht verändert. Trotz eines hohen attestierten Risikos, dass ganze Berufsgruppen in Zeiten der Digitalisierung unter die Räder geraten könnten. Gerade die Fachkräfte, die bedroht sind (Steuerberater, Juristen u.a. wissensbasierte Berufe, Berufe mit hohem Automatisierungsgrad) fühlen sich augenscheinlich im Nachfrageüberhang der Unternehmen sicher.
Was heißt das also für ein Zeitarbeitsunternehmen, dass nur eine wichtige Ressource besitzt – nämlich die Mitarbeiter? Ein durchschnittliches Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt ca. 50 externe Mitarbeiter. 8 Mitarbeiter besitzen eine hohe Bindung zum Unternehmen, 8 besitzen gar keine Bindung und 34 besitzen nur eine geringe Bindung. Potentiell besteht also immer die Gefahr eines Umsatzverlustes von bis zu 85%. Und das gilt nur für die externen Kollegen. Aufgrund der relativ kleinen Zahl der internen Kollegen lassen sich wohl keine verlässlichen Aussagen über Bindung sagen: wohl aber über die Gefährdung dieser internen Arbeitsplätze bei potentiell massiven Umsatzverlusten. Verschärft wird diese Situation noch durch die AÜG Novelle und die damit verbundene Höchstüberlassungsdauer. Denn Mitarbeiter mit geringer Bindung werden weder bereit sein, Arbeitsplätze zu wechseln, noch Einkommensverluste hinzunehmen, wie sie durch den Wegfall von BZ Zuschlägen drohen. Hohe Übernahmequoten seitens der Kundenbetriebe zu Zeiten des Equal pay waren in erster Linie Ausdruck von Kostendruck seitens der Kundenbetriebe. Das wird mit Ablauf der 18 Monate Höchstüberlassungsdauer noch mal deutlich rigider aussehen.
Die Gefechtslage: VUKA Welt.
Unsere Unternehmen leben, wie wir, in dieser Welt. Häufig ignorieren wir diese Tatsache aber zu gerne und opfern sie auf dem Altar der Sicherheit. VUKA steht für V(olatiliät), U(nsicherheit), K(omplexität), und A(mbiguität).
Beispiele sind leicht gefunden: die durchschnittliche Verweildauer im DAX ist von über 60 Jahren auf unter 15 gefallen. Nokia verpasste den Anschluss an die Touch Displays und verschwand fast völlig vom Markt. Sie zeigen die Volatilität und die Unsicherheit in den Märkten. Facebook hat einen Marktwert, der mehreren der größten Industrieunternehmen Deutschlands gleichkommt und der Umgang mit Daten der nutzer liess den Kurs im März um 8% fallen. Mehrere MRD Dollar vernichtet auf einen Knopfdruck. Ausdruck von Komplexität ist es, Zulieferer im Metall Bereich zu bestreiken und Branchenriesen mittelbar durch behinderte just in time Lieferungen zu Fall zu bringen. Zeichen einer totalen Unfähigkeit mit Ambiguität umzugehen zeigen sich in einer Restriktion des AÜG und natürlich in einer völlig überzogenen DSGVO.
Befeuert wird diese VUKA Welt durch die Digitalisierung (und wir befinden uns immer am langsamsten Punkt der Digitalisierung!), die immer wieder disruptive Modelle hervorbringt und die Globalisierung, die Mitarbeitern die Arbeitsmärkte überregional öffnet und ggfls. nationale, soziale Sicherungssysteme ins Wanken bringen (können). Gleichzeitig sind Unternehmen konfrontiert mit neuen, vorher nie dagewesenen Hemmnissen. Zentral sind zu nennen die Datensicherheit, eine mangelnde IT Kompetenz und natürlich die fehlende Verfügbarkeit von IT Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt. Eine Schwierigkeit, die noch nicht genannt ist, ist dabei von zentraler Bedeutung. Die Schwierigkeit, der Anpassung der Unternehmens- und Arbeitsorganisation, exemplarisch auch zu erkennen, an den Schwierigkeiten der Branche, die Schriftformerfordernis gesetzeskonform und handelbar abzubilden.
Die Lösung: Trial and error
Einfache Problemstellungen löst man besten durch Standardisierung (Checklisten), komplizierte Problemstellungen durch good practice (es gibt mehr als eine gute Lösung: Unternehmen wählen die für sie passende) und komplexe Probleme, also solche, deren Zusammenhänge man nicht vollständig durchschaut, durch trial and error. Es ist evident, dass dort drei wichtige Dinge zu beachten sind. Man muss den Mut haben, etwas auszuprobieren und umzusetzen. Je schneller man umsetzt um so schneller erkennt man, was zielführend sein kann – und was nicht. Das Unternehmen braucht eine Fehlerkultur, die Fehler in diesem Zusammenhang nicht minimiert, sondern bewusst zulässt, um weiter zu kommen. Und zu guter Letzt muss zügig überprüft werden, ob man auf dem richtigen Weg ist. Denn wenn man es nicht ist, sollte man den Versuch möglichst schnell abbrechen („Fail fast, fail Cheap).
Zwischenfazit: volatiles Umfeld, wenig Mitarbeiterbindung – das Geschäftsmodell in Gefahr.
Wenn wir ehrlich zu uns sind, wissen wir es längst. Unser von der Politik ungeliebtes Geschäftsmodell ist in Gefahr, wenn wir uns nicht verändern. Die Lösung: Agilität. Eine Mischung zwischen Stabilität und Flexibilität. Es geht darum, sich wechselnden Bedingungen anzupassen und zu agieren, nicht nur zu reagieren. So ist es das erklärte Ziel, dem Wettbewerb immer einen Schritt voraus zu sein. Wir müssen also Unsicherheit zulassen und Neues ausprobieren. Konkret sind dabei zwei Punkte im Bezug auf unsere Kollegen zu beachten.
Die Bindung unserer Kollegen ist nicht eng genug. Legen wir „nur“ die allgemeinen Maßstäbe an, können wir bei 100 Kollegen nur mit 8 fest gebundenen Kollegen aufwarten. Das ist ein Zustand der dringend der Veränderung bedarf. Geld spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Es kann demotivieren, aber nicht eine Bindung aufbauen.
Bindungen sind emotionaler Natur. Wir müssen uns also mit Themen wie Vertrauen, Verständigung auf gemeinsame Ziele, Kommunikation und die Fähigkeit der Selbstreflektion beschäftigen. Die 5. Gehaltserhöhung, eine Fitness Mitgliedschaft oder ein Firmenwagen wird zu nichts führen, wenn der Mitarbeiter nicht ernst genommen wird. Es ist wichtig, zu fragen, die richtigen Fragen zu stellen. Personalgespräche zu führen, Entwicklungen zu ermöglichen und gemeinsam festzuhalten. Die Unternehmensmarke muss jedem Mitarbeiter klar sein. Wir sind STAFF RENT: wir sind schneller und agiler als der Wettbewerb. Unsere Kollegen sind uns wichtig. Wir fordern und fördern jeden einzelnen, so wie er/ sie das wünscht: solange es dem Kunden und dem Unternehmen dient.
Damit ist klar: das alte Führungsmodell der Industrialisierung ist hinfällig. Es kann in einer VUKA Welt kein eindeutiges Kompetenzgefälle mehr geben – ergo auch keine Trennung von externen und internen Kollegen, wie man das auch immer nennen mag. Die Führung des Unternehmens liegt in Team Hand. Hierarchien nur dort, wo sie notwendig und sinnvoll sind (einfache Problemstellungen, iterative Tätigkeiten in Arbeitsteilung). Die Aufgabe der Führungskraft ist es nicht mehr, anzuordnen, was wann wo zu tun ist, sondern zu ermöglichen. Raum zu geben für kreative Prozesse, die Kunden und Kollegen im Fokus haben. Es geht nicht mehr darum, anzuordnen, sondern Fragen zu stellen und die Problemstellungen dann ganzheitlich dem Team zu übergeben – und eine Kultur des Vertrauens zu schaffen, in der Fehler möglich und wertschätzendes feedback eine stetige Veränderung um positiven bewirkt.
Eine Herausforderung ist eine Chance – wenn man Veränderung zulässt.
Nicht nur Zeitarbeitsunternehmen leben in der VUKA Welt. Das tun alle. Wenn wir konsequent und mit den richtigen Mitteln weiter an unseren Geschäftsmodellen arbeiten, werden wir uns einen weiteren Vorsprung vor den Unternehmen erarbeiten, die unsere Dienstleistung in Anspruch nehmen. Damit sichern wir unsere eigene Existenz. Die Geschäftsleitungen müssen über ihre Rolle nachdenken, sie überdenken und ein neues Selbstverständnis erschaffen. Agilität, Kommunikation und Führungsverhalten – wenn wir diese drei Felder beherrschen, werden wir diejenigen sein, die die Standards setzen, an denen sich andere messen lassen müssen.
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